
„Bete nicht um leichtere Last, sondern um einen stärkeren Rücken.“
Von Gläubigen und Gottsuchenden verehrt, von der Inquisition als Ketzerin verdächtigt: Teresa von Ávila, die berühmte spanische Mystikerin, ist zu ihren Lebzeiten höchst umstritten.
In Ávila, einer von wehrhafter Stadtmauer umgebenen Provinzhauptstadt auf der kargen kastilischen Hochebene, wird Teresa am 28. März 1515 als drittes Kind von Juan Sánchez und seiner zweiten Frau Beatriz geboren. Ihr Vater ist ein „Converso“ aus Toledo, der sich der Judenverfolgung Ende des 14. Jahrhunderts durch den Übertritt zur christlichen Religion entziehen will. Die wohlhabende Familie erwirbt einen Adelstitel und lässt sich in Ávila nieder.
Teresa wird zu Hause unterrichtet, wobei die geistliche Unterweisung den größten Raum einnimmt. Bereits im Alter von neun Jahren setzt sich das Kind in den Kopf, einmal als Märtyrerin zu sterben. Wie ihre anmutige und kluge Mutter liest die fantasievolle Teresa aber auch gerne Liebes- und Abenteuerromane und sucht nach weiblichen Vorbildern jenseits der engen Konventionen.

Als ihre Mutter nach der zehnten Geburt stirbt, ist das Mädchen 13 Jahre alt. Ihr überforderter Vater steht nun allein mit der großen Kinderschar da. Während mehrere ihrer Brüder ihr Heil in Südamerika suchen, bleibt den Mädchen nur die Wahl zwischen einer frühen Heirat und dem Eintritt ins Kloster. Das Schicksal, das ihre Mutter als Ehefrau erlebte, wirkt auf Teresa wenig erstrebenswert, und so beginnt sie mit 21 Jahren ein Noviziat bei den Karmeliterinnen und legt zwei Jahre später ihr Ordensgelübde ab. Doch ihre Entscheidung ist von seelischer Zerrissenheit begleitet. Äußerlich fügt sie sich vorbildlich in die Regeln des Klosterlebens, doch im Inneren plagen sie widersprüchliche Gefühle, die zu schweren Krisen ihrer Gesundheit und „abgrundtiefer Traurigkeit“ führen. Mit 24 Jahren erstarrt sie in einer todesähnlichen Ohnmacht und Lähmung, erhält die letzte Ölung und wird beinahe lebendig begraben. Sie erlangt nach drei Tagen das Bewusstsein wieder, die Lähmung als Ausdruck ihrer inneren Kämpfe hält jedoch monatelang an.

In ihrer Not sucht die junge Ordensschwester den Weg nach innen. Das Kloster ist zu dieser Zeit eher Unterkunft für unverheiratete höhere Töchter als Ort geistlicher Einkehr. Besucher gehen ein und aus, die Gespräche drehen sich um schöne Kleider und Klatsch über die Mitschwestern. Teresa aber sehnt sich nach innerer Ruhe, nach Frieden mit sich selbst und mit Gott. Zur Zuflucht wird ihr das „innere Beten“, ein stiller Dialog mit Jesus, für sie „nichts anderes als ein Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“ Jesus Christus als Person, als Freund – diese Sichtweise bedeutet für ihre Zeit eine Revolution, für nicht wenige ein Sakrileg.
Immer wieder erlebt Teresa auch Visionen, die sich bis zur Ekstase steigern können. Ihre mystischen Erfahrungen, bei denen ihr Christus erscheint und zu ihr spricht, wagt sie aus Furcht vor der Inquisition kaum mit jemandem zu teilen.
Die Versenkung ins Gebet ist nur eine Seite von Teresas gelebtem Glauben. Innere Einkehr ist für sie nur dann wertvoll, wenn sie auch zum tätigen Handeln führt. Sie zitiert oft die Bibelstelle über Martha und Maria, in der zwei Schwestern den Besuch Jesu erwarten. Martha richtet Speisen und Getränke an, räumt auf und sorgt dafür, dass alles für den Gast bereitet ist. Maria aber setzt sich zu Jesus und hört ihm zu. Für Teresa gehören beide Zugangsweisen zusammen. „Martha und Maria müssen zusammengehen“, schreibt sie, „und es verbreitet sich der Duft dieser Blumen, um vielen von Nutzen zu sein“.

Schon lange ist Teresa mit dem herkömmlichen Klosterleben der Karmeliterinnen unzufrieden. Sie wünscht sich einen radikaleren Orden nach dem Vorbild der frühchristlichen Eremiten auf dem Berg Karmel in Palästina. Mit 47 Jahren schart sie 1562 eine kleine Gruppe Gleichgesinnter um sich und gründet ein eigenes Kloster in Ávila. Sie nennen sich Descalzos, die Unbeschuhten. Im groben Wollkleid und mit Hanfsandalen an den Füßen beginnen sie ein Leben nach neuen Regeln: unabhängig vom bisherigen Orden leben die Nonnen in Armut, es herrscht strenge Klausur, und das Leben ist auf Stille, Gebet und Arbeit ausgerichtet. Wie Teresa es sich gewünscht hat, sind sie hier geschützt und können ein selbstbestimmtes, Gott gewidmetes Leben führen. Die verbreitete Selbstgeißelung und Askese lehnt sie jedoch entschieden ab. „Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen“ ist ihre Maxime. Sie ist zum ersten Mal wirklich glücklich. „Dieses Haus ist ein Himmel, wenn es je einen auf Erden geben kann“, schreibt sie.
Doch sie will noch mehr erreichen. Die Anfeindungen der Kirchenobrigkeit können Teresa nicht davon abhalten, weitere Reformklöster in ganz Spanien zu gründen. Sobald ein Kloster eingeweiht ist und der Alltag bewältigt wird, bricht sie trotz vieler körperlicher Beschwerden rastlos wieder auf, um an einem anderen Ort etwas Neues aufzubauen. Im schlecht gefederten Ochsenwagen oder bei Wind und Wetter auf einem Maultier reitend trotzt die bodenständige Ordensfrau den Reisestrapazen. Viele verehren sie, aber auch schonungslose Kritik begleitet ihr Wirken. Der Bischof von Sega bezeichnet sie als „unruhiges, herumvagabundierendes Weibsbild“, andere vermuten sogar in ihrer Reisegesellschaft ein „fahrendes Bordell“. Doch Teresa reist weiter kreuz und quer durchs Land, um ihre Mission zu erfüllen. Insgesamt sechzehn Frauen- und Männerklöster der Descalzos sind ihr Werk und arbeiten nach ihren Vorgaben.

Schon früh beginnt die Ordensfrau, an den stillen Abenden in ihrer Zelle zu schreiben und sich auch als Schriftstellerin einen Namen zu machen. Sie veröffentlicht 1562 ihre Autobiografie, das Buch meines Lebens. Ein weiteres Werk thematisiert ihre Praxis des inneren Gebets, zu dem sie alle Gläubigen ermutigen möchte. Im 1577 erschienenen Buch Die innere Burg beschreibt sie die Seele als eine Festung mit sieben Wohnungen. Ziel ist es, durch ehrliche Selbsterforschung und Versenkung zur innersten Wohnung zu gelangen, in der die Begegnung mit Gott möglich wird.
Immer wieder werden Teresa Steine in den Weg gelegt. Drei Jahre lang muss sie in der Verbannung ausharren, da ihr weitere Reisen verboten werden. Mit unbeirrbarer Tatkraft und dem ihr eigenen Humor begegnet sie allen Herausforderungen. Auch nagende Selbstzweifel, Phasen tiefer Melancholie und ihre schwache Gesundheit halten sie letztlich nicht davon ab, sich beharrlich für eine grundlegende Reform der Glaubenspraxis einzusetzen.
Sie stirbt, wie sie gelebt hat. Im Herbst 1582 reist sie, obwohl schon stark geschwächt, von einer Klostergründung im nordspanischen Burgos zurück nach Ávila. In Alba de Tormes muss sie haltmachen, da sich ihr Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert. Dort stirbt sie am 4. Oktober 1582 mit 67 Jahren.
Bereits 40 Jahre nach ihrem Tod wird sie heiliggesprochen, doch erst 1970 als erste Frau der Geschichte zur Kirchenlehrerin ernannt.
Den gelebten Glauben hat sie einmal mit einem Garten verglichen, der sorgfältig gepflegt und bewässert werden muss, um zu gedeihen. Gebet und Selbstbesinnung sind im Gleichnis die Mittel, die die Pflanzen zum Erblühen bringen. „Meine Seele soll ein Garten sein, in dem Gott gerne wandert.“